DER PARCOURS


Schauspiel in 3 Akten

In den Hauptrollen:
Rufus – „ich mach alles super gern, und das am liebsten gleich mehrmals!“– Boxer-Rüde
und:
Kaiko - „ich mach gar nix, weil das ist doch völlig doof und sinnlos!“- Akita-Rüde.

Erster Akt: Die Tonne

Der Ablauf: „Platz!“ auf dem Tisch, auf Kommando runter, „Hopp!“ über eine Tonne – und dann mit Schwung ab durch den Parcours…

 

Rufus macht den Anfang.
Sein Herrchen hat das Wort „Tisch!“ kaum ausgesprochen, kauert Rufus in Startposition. Vibrierend vor Anspannung. Seine Hinterbeine zucken. Sein Blick fliegt zwischen seinem Besitzer und der Tonne hin und her. Nervosität liegt in der Luft. Die Zuschauer halten den Atem an…
Da ist das Kommando! Rufus schnellt vom Tisch. Er fliegt über die Tonne. Und gleich wieder zurück, weil’s gar so schön war. Hetzt über die Kletterwand. Rast über die Wippe. Und entschwindet im ersten Tunnel des Parcours…

„Der Nächste: Kaiko. Kaiko???“
Fragender Blick der Hundetrainerin. Zögerndes Nicken zur Antwort: Kommt halt auf die Tagesform an…?!

Kaiko tänzelt zum Tisch. Schaut erwartungsvoll auf zu seinem Frauchen, begierig auf ein Abenteuer. Vor dem Tisch ein kurzes Zaudern. Dann, droben, sinkt er in Zeitlupe in „Platz!“. Rutscht mit dem Hinterteil langsam zur Seite, in eine bequemere Lage.
Guckt.
Denkt.
Und beschließt, auch dem nächsten Kommando zu folgen. „Hopp!“: Kaiko plumpst träge vom Tisch. Trabt an.
Vor der Tonne macht er Halt.
„Tonne, hopp!“
Skeptischer Blick auf die Tonne. Fragender Blick auf sein Frauchen und ihre ausladende Armbewegung. Die - aufmunternder, begeistert -: „Kaiko: Tonne hopp!“
Ohne Erfolg: Kaiko zeigt keine Reaktion.

Zwischen den Zuschauern gähnt Banshu laut, und bettet ihr müdes Haupt zwischen den Vorderpfoten.

Indessen steht vor der Tonne die Zeit still.
Frauchens Bemühungen werden zunehmend enthusiastisch. Ihre Hand mit dem Leckerchen schwingt zwischen Kaiko und der Tonne hin und her.
Kaiko steht stocksteif, die Augen auf sein Frauchen gerichtet. Sein Gesichtsausdruck sagt: „Das ist nicht dein Ernst?! Wozu soll das gut sein?!“

Verzweifelndes Schulterzucken seines Frauchens in Richtung Hundetrainerin. Dann macht sie einen letzten Versuch. Unsicher. Fast fragend. „Kaiko: Hopp?“

Kaiko betrachtet erneut die Tonne. Schaut lange forschend ins Gesicht seines Frauchens.
Dann fasst er einen Entschluss.
Seine Muskeln straffen sich.
Ein Raunen geht durch die Reihen der Zuschauer.
Und da stößt sich Kaiko mit allen Vieren gleichzeitig ab. Den Blick unverwandt auf sein Frauchen geheftet, macht er – einen Hopser! Für einen winzigen Augenblick heben Kaikos Beine tatsächlich vom Boden ab – ehe er wieder, an Ort und Stelle, vor der Tonne landet. Demonstrativ, und für alle deutlich sichtbar in seinen Bemühungen!

Stille.
Zuerst prustet die Hundetrainerin los. Dann brüllen die Zuschauer vor Lachen, klopfen sich auf die Schenkel.
Banshu springt ängstlich in die Höhe.
Die Trainerin wischt sich die Tränen aus den Augen und ringt nach Luft.

Kaiko steht noch immer wie angewurzelt vor der Tonne und sieht sein Frauchen an. Gespannt, auf Zustimmung hoffend. Seine Augen fragen, bitten: „Genug? Endlich zufrieden? Machen wir JETZT was Tolles?“

Zweiter Akt ...

    Gabriele Kaiser, August 2002