Schauspiel in 3 Akten
In
den Hauptrollen:
Sheila – „allzeit bereit, weil hochmotiviert und aufgeweckt!“–
Rhodesian-Ridgeback-Teenie
und:
Kaiko -
„zu
nix bereit, was doof und sinnlos!“- Akita-Rüde.
  
Dritter Akt: Die Fliegenklatsche
Heute: Clickerkurs für Anfänger.
Die Aufgabe: Erlernen einer neuen Übung mit Hilfe des Clickers innerhalb
von 10 Minuten.
Sheila beginnt. Ihr
Frauchen hat entschieden: Sheila soll Skateboard fahren.
Die beiden treten in den Kreis der Teilnehmer.
Kaum hat ihr Frauchen
das Brett auf die Erde gestellt, schnuppert Sheila schon neugierig
daran... Click! Gierig schnappt Sheila nach dem Leckerchen. Als keine
weiteren Leckerbissen mehr zu erwarten sind, wendet sie sich ruckartig
erneut dem Skateboard zu… Click!
Mit zunehmender Häppchenzahl wächst Sheilas Begeisterung für das
Rollbrett. Bald steht die erste Pfote auf dem Brett; dann – mit Anlauf –
die zweite…
Sheila gerät in Fahrt. Und keine 10 Minuten später rollt sie, drei Pfoten
fest aufs Brett gestemmt, vor den Augen der ungläubig staunenden Zuschauer
mit dem Skateboard schwungvoll an ihnen vorbei.
Sheilas Frauchen rutscht vor Begeisterung die Baseballkappe ins Gesicht.
Selbst die Trainerin ist beeindruckt.
Kaiko ist der Nächste.
Mitleidige Blicke begleiten sein Frauchen beim Betreten des Kreises. „Das
ist ja wie ein Auftritt nach den Bläck Föös“, kichert eine Teilnehmerin.
„Wir machen
'Rückwärtsgehen'.“
Kaikos Frauchen feixt innerlich; das kann Kaiko.
„Rückwärtsgehen lernt der Hund am besten damit.“ Verblüfft starrt Kaikos
Frauchen auf die Fliegenklatsche in ihrer Hand.
„Hinhalten, und wenn der Hund sie mit der Nase berührt, klicken.“
Seufzend rückt sein
Frauchen die Fliegenklatsche ins Blickfeld ihres Vierbeiners.
Der zeigt keinerlei Reaktion. Majestätisch steht er inmitten des Kreises;
die Beine stocksteif, mit hocherhobenem Kopf. Die Augen fest auf einen
imaginären Punkt in weiter Ferne gerichtet, sieht er durch die
Fliegenklatsche hindurch.
Alle warten. Die Zeit
verrinnt.
„Mhmmm…. Vielleicht
etwas näher ran?“, rät die Trainerin schließlich.
Sanft streift die
Klatsche Kaikos Wange.
Gleichzeitig wandert der imaginäre Punkt am Horizont leicht zur Seite,
Kaikos Kopf mit ihm.
„Okay…. Dann beweg sie
doch mal auf und ab…!“
Die Fliegenklatsche
schwingt rhythmisch vor Kaikos Nase auf und nieder. Auf und Nieder.
Dann vor und zurück.
Auf und nieder.
Tatsächlich fängt sie Kaikos Blick ein: Irritiert folgt er dem seltsamen
Tanz der Fliegenklatsche vor seinem Gesicht. Dann starrt er – noch immer
reglos - sein Frauchen an.
Die lächelt verlegen. Ratschläge aus der Runde werden laut. Kaiko scheint
zur Salzsäule erstarrt.
Im Hintergrund fährt Sheila auf dem Skateboard vorbei.
Plötzlich - eine
winzige Bewegung seines Kopfes: Und Kaiko streift fast unmerklich die
Fliegenklatsche! Click!
Freudestrahlend kramt Kaikos Frauchen nach dem gekochten Hühnerfleisch.
Das Häppchen kommt an. Kaikos Interesse ist geweckt. Träge, fast lasziv,
reckt er den Hals kaum merklich in Richtung Fliegenklatsche – Click! – und
kassiert dann selenruhig den Leckerbissen ab. Kaut genüsslich. Schiebt,
noch immer lasziv kauend, die Nase erneut sanft gen Klatsche, den Beutel
mit den Leckerchen fest im Blick. Click!
„Na, das klappt ja
schon richtig gut!“, freut sich die Trainerin angesichts der unerwarteten
Aktivität. „Jetzt halt die Klatsche ein Stück weiter weg, so dass er
HINGEHEN muss!“
Kaikos Frauchen
schwenkt die Fliegenklatsche ein paar Zentimeter nach vorn. Und lässt sie
dort verheißungsvoll auf Nasenhöhe schweben…
Kaiko steht wie angewurzelt. Endlich schiebt er den Kopf etwas nach vorne
- langsam, ganz langsam – in Richtung Klatsche. Noch etwas. Noch ein
wenig. Der Hals wird länger und länger. Ein letzter Ruck – und der Hals
ist restlos ausgefahren: Wenige Zentimeter vor der Fliegenklatsche kommt
Kaikos rote Nase zum Stillstand. Nichts geht mehr!
Ruckartig zieht Kaiko
den Kopf zurück. Indigniert, empört, blickt er erst auf sein Frauchen,
dann auf den Futterbeutel.
„Das darf doch nicht
wahr sein!“
Die Trainerin ringt sichtlich um Fassung.
„Akita, halt...“
Neidisch seufzend beobachtet Kaikos Frauchen, wie Sheila soeben das
Skateboard nach flotter Fahrt einem Artgenossen in die Flanke rammt.
In diesem Moment macht
Kaiko – offenbar zum Äußersten entschlossen – einen wilden Satz nach vorn.
Stemmt die Beine unmittelbar vor der Klatsche fest in den Boden und bringt
sich – genau zwischen Klatsche und Futterbeutel – in Positur.
Dann schiebt er- nun wieder ganz ruhig - kaum merklich die Nase gen
Klatsche... Und sofort schwingt sein Kopf erwartungsvoll herum zum
Futterbeutel.
Äääähm…ja: Click…?!
Kaut ausladend sein Hühnchen. Streckt sich. Gähnt demonstrativ. Und
trippelt dann – gefolgt von den noch immer staunenden Blicken aller
Teilnehmer – gemächlich zum nächsten Baum, wo er kauend, mit
halbgeschlossen Lidern und hochgerecktem Kinn, genussvoll seinen
Geschäften nachgeht.
Außer dem Plätschern herrscht Stille.
Dann räuspert sich die Trainerin.
„Äh, ja… Ich glaube, das reicht für heute..."
Gabriele Kaiser, Dezember 2002
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